UHF‑RFID: Funktionsprinzipien und Technik

Die Ultra‑High‑Frequency (UHF)‑Technologie hat sich zum Standard in vielen RFID‑Anwendungen entwickelt. Im Frequenzbereich zwischen 860 und 960 MHz können UHF‑Tags Daten über Entfernungen von bis zu mehreren Metern übermitteln, sodass ganze Paletten oder Regale in Sekundenschnelle erfasst werden können. Anders als bei Niederfrequenz‑ oder Hochfrequenz‑Systemen arbeitet UHF im Fernfeldbereich: Die Tags nutzen elektromagnetische Wellen, um Daten zurückzustreuen (Backscatter), während sie sich gleichzeitig aus dem Feld des Lesers mit Energie versorgen. Dieser Beitrag erklärt die physikalischen Grundlagen, das Backscatter‑Verfahren, Antikollisionsverfahren und die Unterschiede zwischen passiven und aktiven UHF‑Tags – sowie typische Einsatzgebiete und Herausforderungen.

Elektromagnetische Grundlagen

RFID beruht auf der Übertragung elektromagnetischer Wellen. Im UHF‑Bereich sind dies Frequenzen zwischen 300 MHz und 3 GHz; RFID nutzt weltweit vor allem das Band bei 860–960 MHz. Da die Wellenlänge im UHF‑Bereich kurz ist (rund 30 cm), lassen sich kompakte Antennen realisieren. Gleichzeitig breiten sich die Wellen im Fernfeld aus und durchdringen Materialien wie Holz, Kunststoff und Textilien, weshalb UHF‑RFID ideal für die Erfassung von Warenkartons oder Kleidung ist. In Europa sind 865–868 MHz freigegeben, in Nordamerika 902–928 MHz, was bei der Planung globaler Systeme berücksichtigt werden muss.

Passive UHF‑Tags: Energieversorgung und Backscatter

Passivtags machen den Großteil aller RFID‑Transponder aus. Sie besitzen keine eigene Stromquelle und bestehen aus einem Mikrochip mit Datenspeicher und einer Antenne. Wenn ein passives Tag in das elektromagnetische Feld eines Lesers gelangt, nimmt es einen Teil der Energie auf und versorgt den Chip mit Strom. Anschließend sendet das Tag seine Daten nicht durch aktives Senden, sondern durch rückgestreute Modulation: Der Chip verändert den elektrischen Widerstand der Antenne, sodass sich die Phase des reflektierten Signals ändert. Diese winzigen Modulationen werden vom Leser erkannt und in Bits übersetzt. Die Größe der Antennen beeinflusst die Reichweite; freie Sicht ist nicht erforderlich, doch metallische Objekte oder Flüssigkeiten können das Feld dämpfen.

Ein transparenter Produktaufkleber zeigt das eingebaute RFID-Tag 

Die gespeicherten Daten eines UHF‑Tags sind in sogenannten Memory‑Bänken organisiert: Die EPC‑Bank enthält die Seriennummer (Electronic Product Code), die TID‑Bank (Tag Identifier) wird vom Hersteller programmiert und die User‑Bank bietet zusätzlichen Speicherplatz. Passive UHF‑Tags sind sehr preiswert (oft nur wenige Cent) und können in Sekundenschnelle massenhaft ausgelesen werden. Moderne Lesegeräte erfassen hunderte Tags gleichzeitig, indem sie das Gen2‑Protokoll (EPCglobal) mit einem Zeitschlitzverfahren (TDMA) nutzen.

Antikollisionsverfahren und Gen2‑Protokoll

Wenn sich mehrere Tags im Lesefeld befinden, können ihre Antworten kollidieren. Das EPCglobal‑Gen2‑Protokoll löst dieses Problem mithilfe eines Zufallsverfahrens: Der Leser sendet einen Query‑Befehl und weist jedem Tag einen zufälligen Zeitschlitz zu. Nur Tags, denen dieser Slot zugewiesen wurde, antworten mit ihrer ID; Tags, die keinen Slot erhalten, schweigen. Nach dem Abarbeiten aller Slots wird ein neuer Durchlauf gestartet. So lassen sich hunderte Tags innerhalb von Sekunden auslesen. Gen2 definiert zudem Befehle für das Lesen und Beschreiben des Benutzerspeichers, Passwortschutz sowie einen Kill‑Befehl, der das Tag dauerhaft deaktiviert – wichtig für den Datenschutz. Das Protokoll ist international standardisiert (ISO/IEC 18000‑6C) und bildet die Grundlage für die RAIN‑RFID‑Initiative.

Aktive und semi‑passive Tags

Neben passiven Transpondern gibt es aktive und semi‑passive Tags. Aktive UHF‑Tags besitzen eine Batterie und senden kontinuierlich oder periodisch Signale aus. Dadurch erreichen sie Reichweiten von 50 bis 150 Metern und ermöglichen Echtzeit‑Ortung. Sie werden beispielsweise bei Fahrzeug‑Mautsystemen, Containerverfolgung oder in Sicherheitsanwendungen eingesetzt. Allerdings sind sie wesentlich teurer (oft 20–100 € pro Stück) und müssen gewartet werden, wenn die Batterie erschöpft ist. Semi‑passive Tags verfügen über eine Batterie zur Versorgung des Chips, nutzen aber dennoch das Backscatter‑Verfahren; sie bieten eine größere Reichweite als passive Tags, sind aber günstiger als aktive. Die Auswahl des richtigen Tag‑Typs hängt von der Anwendung, der benötigten Reichweite, dem Budget und der gewünschten Lebensdauer ab.

Datenübertragung und Modulation

UHF‑RFID‑Systeme übertragen Daten mit unterschiedlichen Modulationsverfahren. Häufig kommen Amplitudenumtastung (ASK) oder Phasenumtastung (PSK) mit einer Datenrate von 40–640 kbps zum Einsatz. Das Gen2‑Protokoll verwendet das FM0‑Codierschema (auch Miller‑Codierung), das robust gegen Störungen ist. Für die Stromversorgung passiver Tags ist der Modulationsindex begrenzt, damit genügend Energie zur Verfügung steht. Aktive Tags können stärkere Signale senden und so höhere Datenraten erreichen. Zur Sicherung der Daten beinhaltet Gen2 Befehle für 16‑Bit‑Zugriffskennwörter sowie optionale Verschlüsselung, um Manipulationen zu verhindern.

Praktische Anwendungen und Sensor‑Integration

UHF‑RFID ermöglicht vielfältige Anwendungen in Logistik, Produktion und Dienstleistung. In der Supply Chain werden Einheiten wie Paletten oder Kartons mit Tags versehen und beim Passieren von Toren automatisch registriert. Die Technologie reduziert Fehlbuchungen, beschleunigt die Wareneingangskontrolle und schafft Echtzeit‑Transparenz. Auch der Einzelhandel profitiert: In Geschäften können Bekleidungsetiketten simultan erfasst werden, um Bestände akkurat zu führen und Diebstahl zu erschweren. In der Industrie 4.0 dienen Tags als „digitales Namensschild“ für Werkstücke, sodass Maschinen automatisch die richtige Bearbeitung erkennen. Tags lassen sich sogar mit Sensoren kombinieren. Sensor‑Tags messen Temperatur, Feuchtigkeit oder Vibration und übermitteln diese Werte an IoT‑Plattformen; so lassen sich Kühlketten überwachen oder vorausschauende Wartung betreiben. Durch die geringe Kosten pro Tag können selbst Massenartikel wie Lebensmittel oder Medikamente lückenlos verfolgt werden.

Nachhaltigkeit spielt bei der Tag‑Entwicklung zunehmend eine Rolle. Hersteller arbeiten an recycelbaren oder biologisch abbaubaren Antennen und Trägermaterialien. Außerdem werden miniaturisierte und flexible Tags entwickelt, die sich unauffällig in Textilien integrieren lassen oder direkt auf Produkten aufdrucken lassen.

Herausforderungen und Grenzen

Trotz der Vorteile hat UHF‑RFID auch Grenzen. Die Radiowellen werden von Metallflächen reflektiert und von Flüssigkeiten absorbiert; dadurch können Schattenbereiche entstehen, in denen Tags nicht zuverlässig erkannt werden. Spezielle On‑Metal‑Tags mit angepasstem Antennendesign mindern dieses Problem, und Abstandshalter verhindern die Dämpfung. Zudem müssen in Umgebungen mit vielen Lesegeräten (z. B. in Lagern mit mehreren Portalen) sogenannte Dense Reader Mode‑Einstellungen genutzt werden, um gegenseitige Störungen zu vermeiden. Schließlich sind Datenschutz und Sicherheit zu beachten: Da Tags über mehrere Meter hinweg auslesbar sind, sollten sensible Daten verschlüsselt oder Tags nach Gebrauch deaktiviert werden.

Fazit

Die Funktionsprinzipien von UHF‑RFID beruhen auf der intelligenten Nutzung elektromagnetischer Energie. Passivtags nutzen das Feld des Lesers zur Stromversorgung und geben Daten via Backscatter zurück; das Gen2‑Protokoll sorgt dafür, dass sich hunderte Tags nicht gegenseitig stören. Aktive und semi‑passive Tags erweitern die Reichweite erheblich, bringen aber höhere Kosten mit sich. Dank technischer Fortschritte wie Sensor‑Tags und umweltfreundlichen Materialien eröffnet UHF‑RFID immer neue Anwendungen. Wer die physikalischen Grundlagen, Protokolle und Herausforderungen versteht, kann die Technologie gezielt einsetzen und maximalen Nutzen aus automatisierter Datenerfassung und Prozessoptimierung ziehen.

Quellen

  • Erläuterung des Gen2‑Protokolls, TDMA‑Antikollision und Datenschutz.
  • Informationen zu UHF‑Frequenzbereich, Reichweite und Leseraten.
  • Probleme mit metallischen und flüssigen Umgebungen.
  • Preis- und Reichweitenunterschiede aktiver vs. passiver Tags.
  • Sensor‑Tags, nachhaltige Materialien und Zukunftstrends.
  • Niedrigkosten von UHF‑Tags.
  • Nutzen von RFID in Lieferketten und Einzelhandel.
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