UHF‑RFID‑Standards: EPCglobal Gen2 und ISO/IEC 18000‑6C
Damit RFID‑Tags und Lesegeräte verschiedener Hersteller zusammenarbeiten, braucht es einheitliche Regeln. Im UHF‑Bereich haben sich das EPCglobal-Gen2-Protokoll und seine Normung als ISO/IEC 18000‑6C etabliert. Diese Standards definieren den Funkdialog zwischen passiven UHF‑Tags und Lesegeräten: von der Bit‑Codierung über Antikollisionsverfahren bis hin zu Sicherheitsfunktionen. Mit ihrer globalen Verbreitung bilden sie das Rückgrat der „RAIN RFID“-Initiative – einer Allianz, die den universellen Einsatz von UHF‑RFID in Logistik, Handel und Industrie fördert. Dieser Artikel erläutert die wichtigsten Aspekte der Standards, ihre Historie sowie neuere Entwicklungen.
Von EPC Class 1 zu Gen2: Der Weg zur Standardisierung
Die ersten UHF‑RFID‑Systeme der späten 1990er‑Jahre litten unter uneinheitlichen Protokollen. Hersteller entwickelten proprietäre Reader und Tags, die nicht miteinander kommunizierten. Um diese Fragmentierung zu beenden, gründeten große Handelsunternehmen und Technologiepartner die Organisation EPCglobal (heute Teil der GS1). Das Ziel war ein universelles Protokoll, das auf hohen Stückzahlen basiert und weltweit einsetzbar ist. 2004 stellte EPCglobal die Spezifikation Class 1 Generation 2 (kurz Gen2) für passive UHF‑Tags vor; ein Jahr später übernahm die Internationale Organisation für Normung diese Spezifikation als ISO/IEC 18000‑6C. Damit war der Grundstein für interoperable Geräte gelegt.
Gen2 definiert die Frequenzbereiche (860–960 MHz), die Modulationstechniken und ein Zeitschlitz‑basiertes Antikollisionsverfahren. Zudem spezifiziert es Befehle für das Lesen und Beschreiben des Speichers, Passwortschutz sowie die Möglichkeit, Tags nach Gebrauch zu „killen“, also unbrauchbar zu machen. Durch dieses Sicherheitsfeature wird verhindert, dass Kunden nach dem Kauf von Waren unerwünscht weiterverfolgt werden. Die Norm sorgt außerdem für robuste Kommunikation in Umgebungen mit vielen Lesegeräten (Dense Reader Mode) und ermöglicht Lesevorgänge über mehrere Meter.
Frequenzbereiche und regionale Regulierungen
ISO/IEC 18000‑6C erlaubt den Betrieb in verschiedenen Unterbändern, die regional unterschiedlich geregelt sind. In Europa dürfen UHF‑Reader meist im Band 865–868 MHz mit maximal 2 Watt ERP senden, während in den USA das Band 902–928 MHz mit höheren Sendeleistungen (bis 4 Watt EIRP) genutzt werden darf. Andere Regionen, wie Japan (950–956 MHz) oder China (840–845 MHz), haben eigene Zuteilungen. Das Gen2‑Protokoll enthält Mechanismen wie Frequency Hopping, bei denen der Leser zwischen verschiedenen Kanälen springt, um Störungen zu vermeiden und gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Moderne Reader sind programmierbar und können die regionalen Einstellungen automatisch erkennen.
Speicherstrukturen und Befehle
Gen2‑Tags besitzen vier grundlegende Speicherbänke: Die Reserved Bank enthält zwei Passwörter – eines zum Sperren oder Freigeben des Tags und eines zum Kill‑Befehl; die EPC Bank speichert den Electronic Product Code (EPC), der als eindeutige Seriennummer dient; die TID Bank (Tag Identifier) enthält eine fabrikseitige Seriennummer; und die User Bank bietet zusätzlichen Speicherplatz, z. B. für Chargennummern oder Sensorwerte. Der Leser kann mit Befehlen wie Read, Write, Lock und Kill auf diese Bänke zugreifen. Dank der standardisierten Speicherstruktur lassen sich Tags unterschiedlicher Hersteller problemlos austauschen.
Antikollisionsverfahren und Leseleistung
Eines der wichtigsten Merkmale von Gen2 ist das Antikollisionsprotokoll: Mit einer zufallsgesteuerten Slot‑Vergabe können hunderte Tags innerhalb von Sekunden ausgelesen werden. Der Leser sendet einen Query‑Befehl und teilt Tags zufällig verschiedene Zeitschlitze zu. Tags, die „gewinnen“, antworten mit ihrer ID; andere bleiben stumm. Dieses Time‑Division Multiple Access (TDMA) verhindert Kollisionen und sorgt für hohe Lesegeschwindigkeiten. Für Umgebungen mit mehreren Lesern existiert der sogenannte Dense Reader Mode, der das Frequenzspektrum effizient nutzt.
Die Reichweite passiver Gen2‑Tags hängt von der Sendeleistung des Readers und dem Antennendesign ab. In der Praxis lassen sich Distanzen von acht bis zwölf Metern erreichen; bei optimalen Bedingungen können manche Tags sogar aus bis zu 15 Metern gelesen werden. Der Standard schreibt auch vor, wie die Rückstreuamplitude moduliert wird (z. B. Amplitude‑Shift‑Keying) und welche Codierungsverfahren (FM0, Miller) zum Einsatz kommen.
Entwicklung zu Gen2v2 und RAIN RFID
Seit der Erstveröffentlichung wurde Gen2 mehrfach weiterentwickelt. Die Version 2 (ISO/IEC 18000‑63) bietet erweiterte Kryptografiefunktionen, größere Speicherkapazitäten und bessere Unterstützung für Sensor‑Tags und umweltfreundliche Materialien. Neue Befehle ermöglichen es, Sensordaten wie Temperatur direkt in das EPC zu codieren und gegen Manipulation zu sichern. Gleichzeitig entstand die RAIN‑RFID‑Initiative, ein Zusammenschluss von Unternehmen wie Impinj, NXP, and Zebra, der die Interoperabilität und das Wachstum der UHF‑RFID‑Industrie fördert. RAIN steht für „Radio frequency Identification Networks” und signalisiert die Vision, dass Milliarden von Dingen in einem globalen Netzwerk miteinander verbunden sind.
Weitere UHF‑Standards
Neben Gen2 gibt es weitere UHF‑Normen. ISO/IEC 18000‑6B war ein älterer Standard, der vor allem in China genutzt wurde; er unterstützt geringere Datenraten und hat heute kaum noch Bedeutung. Bei aktiven UHF‑Tags kommen hingegen andere Standards zum Einsatz, z. B. ISO/IEC 18000‑7 (433 MHz), das auf Lkw‑Mautsysteme und Flottenmanagement abzielt. Zudem definieren Organisationen wie IEEE (z. B. 802.15.4f) Protokolle für semi‑passive Tags. Die genauen Anforderungen hängen vom Anwendungsfall ab.
Ein Anwendungsbeispiel: Weltweite Lieferkette
Ein globales Bekleidungsunternehmen nutzt Gen2‑konforme UHF‑Tags für sämtliche Artikel. Produzenten in Asien programmieren den EPC bereits beim Nähen in die Tags. Beim Transport registrieren Gate‑Leser in Containerterminals und Flughäfen automatisch den Durchgang. Dank der weltweiten Normung können dieselben Tags in Europa, Nordamerika und Japan gelesen werden; die Leser passen ihre Frequenzbänder automatisch an lokale Vorschriften an. Durch die standardisierte Datenstruktur lassen sich Lieferinformationen in Echtzeit auswerten – beispielsweise ob sich eine bestimmte Kollektion bereits im Lager befindet oder noch unterwegs ist. Dabei kommen verschlüsselte Passwörter zum Einsatz, sodass unbefugte Dritte keinen Zugriff auf die Daten haben.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen
Trotz der hohen Reife stehen die Standards vor neuen Herausforderungen: Mit dem massenhaften Einsatz in der Industrie 4.0 steigt der Bedarf nach robusteren Sicherheitsmechanismen, die auch vor Seitenkanalangriffen schützen. Zudem erfordern Sensor‑Tags eine effizientere Energieverwaltung, damit Sensordaten zuverlässig übertragen werden können. Die kommende Version 3 („Gen2v3“) könnte daher verbesserte Kryptografie, größere Speicher und bessere Integrationsmöglichkeiten mit 5G‑ und 6G‑Netzen bieten. Auch Nachhaltigkeitsaspekte fließen verstärkt in die Standardisierung ein: Biologisch abbaubare Substrate und recycelbare Antennen werden in ISO‑Arbeitsgruppen diskutiert.
Fazit
Das EPCglobal‑Gen2‑Protokoll und die ISO/IEC 18000‑6C‑Norm sind die zentralen Bausteine einer globalen UHF‑RFID‑Infrastruktur. Sie regeln Frequenzen, Antikollision, Speicherstrukturen und Sicherheitsmechanismen und sorgen dafür, dass Tags verschiedener Hersteller interoperabel sind. Dank der Standardisierung konnten sich RFID‑Anwendungen in zahlreichen Branchen verbreiten – von der Lieferkette über den Einzelhandel bis hin zur Industrie 4.0. Mit Gen2v2 und der RAIN‑Initiative wird die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Unternehmen, die auf UHF‑RFID setzen, sollten sich mit den relevanten Normen auseinandersetzen, regionale Vorgaben beachten und ihre Systeme so gestalten, dass sie mit künftigen Versionen kompatibel bleiben.
Quellen
- Geschichte und Inhalte des Gen2‑Protokolls.
- Passwortschutz und Kill‑Befehl.
- Reichweiten und Mehrfachauslesung.
- Nachhaltige Materialien und neue Tag‑Trends.
- Reichweiten und Anwendungsbereiche aktiver Tags (als Kontext für andere UHF‑Standards).